

Rudolf Steiner: Unsere Wahrnehmungen können nur unseren Wahrnehmungen ähnlich sein!
BewusstseinMetaphysisches 19. Januar 2017 DENKE-ANDERS-BLOG 0

||
von Rudolf Steiner.
Durch das Denken entstehen Begriffe und Ideen. Was ein Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden. Worte können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, dass er Begriffe habe. Wenn jemand einen Baum sieht, so reagiert sein Denken auf seine Beobachtung; zu dem Gegenstande tritt ein ideelles Gegenstück hinzu, und er betrachtet den Gegenstand und das ideelle Gegenstück als zusammengehörig. Wenn der Gegenstand aus seinem Beobachtungsfelde verschwindet, so bleibt nur das ideelle Gegenstück davon zurück. Das letztere ist der Begriff des Gegenstandes.
Je mehr sich unsere Erfahrung erweitert, desto größer wird die Summe unserer Begriffe. Die Begriffe stehen aber durchaus nicht vereinzelt da. Sie schließen sich zu einem gesetzmäßigen Ganzen zusammen. Der Begriff ‚Organismus‘ schließt sich zum Beispiel an die andern: gesetzmäßige Entwickelung, Wachstum an. Andere an Einzeldingen gebildete Begriffe fallen völlig in eins zusammen. Alle Begriffe, die ich mir von Löwen bilde, fallen in den Gesamtbegriff ´Löwe‘ zusammen. Auf diese Weise verbinden sich die einzelnen Begriffe zu einem geschlossenen Begriffssystem, in dem jeder seine besondere Stelle hat.
Ideen sind qualitativ von Begriffen nicht verschieden. Sie sind nur inhaltsvollere, gesättigtere und umfangreichere Begriffe. Ich muss einen besonderen Wert darauf legen, dass hier an dieser Stelle beachtet werde, dass ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in Bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. Der Begriff kann nicht aus der Beobachtung gewonnen werden. Das geht schon aus dem Umstande hervor, dass der heranwachsende Mensch sich langsam und allmählich erst die Begriffe zu den Gegenständen bildet, die ihn umgeben. Die Begriffe werden zu der Beobachtung hinzugefügt.
Ein vielgelesener Philosoph der Gegenwart, Herbert Spencer, schildert den geistigen Prozess, den wir gegenüber der Beobachtung vollziehen, folgendermaßen: [im Spoiler]
„Wenn wir an einem Septembertag durch die Felder wandelnd, wenige Schritte vor uns ein Geräusch hören und an der Seite des Grabens, von dem es herzukommen schien, das Gras in Bewegung sehen, so werden wir wahrscheinlich auf die Stelle losgehen, um zu erfahren, was das Geräusch und die Bewegung hervorbrachte. Bei unserer Annäherung flattert ein Rebhuhn in den Graben, und damit ist unsere Neugierde befriedigt: wir haben, was wir eine Erklärung der Erscheinungen nennen. Diese Erklärung läuft, wohlgemerkt, auf folgendes hinaus: weil wir im Leben unendlich oft erfahren haben, dass eine Störung der ruhigen Lage kleiner Körper die Bewegung anderer zwischen ihnen befindlicher Körper begleitet, und weil wir deshalb die Beziehungen zwischen solchen Störungen und solchen Bewegungen verallgemeinert haben, so halten wir diese besondere Störung für erklärt, sobald wir finden, dass sie ein Beispiel eben dieser Beziehung darbietet. Genauer besehen stellt sich die Sache ganz anders dar, als sie hier beschrieben ist. Wenn ich ein Geräusch höre, so suche ich zunächst den Begriff für diese Beobachtung. Dieser Begriff erst weist mich über das Geräusch hinaus. Wer nicht weiter nachdenkt, der hört eben das Geräusch und gibt sich damit zufrieden. Durch mein Nachdenken aber ist mir klar, dass ich ein Geräusch als Wirkung aufzufassen habe. Also erst, wenn ich den Begriff der Wirkung mit der Wahrnehmung des Geräusches verbinde, werde ich veranlasst, über die Einzelbeobachtung hinauszugehen und nach der Ursache zu suchen. Der Begriff der Wirkung ruft den der Ursache hervor, und ich suche dann nach dem verursachenden Gegenstande, den ich in der Gestalt des Rebhuhns finde. Diese Begriffe, Ursache und Wirkung, kann ich aber niemals durch bloße Beobachtung, und erstrecke sie sich auf noch so viele Fälle, gewinnen. Die Beobachtung fordert das Denken heraus, und erst dieses ist es, das mir den Weg weist, das einzelne Erlebnis an ein anderes anzuschließen.“ (Zitat-Ende) (Mehr in Herbert Spencer’s Lehre von dem Unerkennbaren)
Nun ist es am Platze, von dem Denken auf das denkende Wesen überzugehen, denn durch dieses wird das Denken mit der Beobachtung verbunden.
Weil er sein Denken auf die Beobachtung richtet, hat er Bewusstsein von den Objekten; weil er sein Denken auf sich richtet, hat er Bewusstsein seiner selbst oder Selbstbewusstsein.
Das menschliche Bewusstsein muss notwendig zugleich Selbstbewusstsein sein, weil es denkendes Bewusstsein ist. Denn wenn das Denken den Blick auf seine eigene Tätigkeit richtet, dann hat es seine ureigene Wesenheit, also sein Subjekt, als Objekt zum Gegenstande.
Nun darf aber nicht übersehen werden, dass wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefasst werden. Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen.
Die Tätigkeit, die der Mensch als denkendes Wesen ausübt, ist also keine bloß subjektive, sondern eine solche, die weder subjektiv noch objektiv ist, eine über diese beiden Begriffe hinausgehende. Ich darf niemals sagen, dass mein individuelles Subjekt denkt; dieses lebt vielmehr selbst von des Denkens Gnaden. Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt.
Das Nächste wird nun sein, uns zu fragen: Wie kommt das andere Element, das wir bisher bloß als Beobachtungsobjekt bezeichnet haben, und das sich mit dem Denken im Bewusstsein begegnet, in das letztere?
Wir müssen, um diese Frage zu beantworten, aus unserem Beobachtungsfelde alles aussondern, was durch das Denken bereits in dasselbe hineingetragen worden ist. Denn unser jeweiliger Bewusstseinsinhalt ist immer schon mit Begriffen in der mannigfachsten Weise durchsetzt.
Das Denken ist imstande, Fäden zu ziehen von einem Beobachtungselement zum andern. Es verknüpft mit diesen Elementen bestimmte Begriffe und bringt sie dadurch in ein Verhältnis. Wir haben oben bereits gesehen, wie ein uns begegnendes Geräusch mit einer anderen Beobachtung dadurch verbunden wird, dass wir das Erstere als Wirkung des Letzteren bezeichnen.
Das Kind, das noch keine Erfahrungen über Entfernungen hat, greift nach dem Monde und stellt das, was es nach dem ersten Augenschein für wirklich gehalten hat, erst richtig, wenn eine zweite Wahrnehmung sich mit der ersten im Widerspruch befindet.
Jede Erweiterung des Kreises meiner Wahrnehmungen nötigt mich, mein Bild der Welt zu berichtigen.
Das zeigt sich im täglichen Leben ebenso wie in der Geistesentwickelung der Menschheit. Das Bild, das sich die Alten von der Beziehung der Erde zur Sonne und den andern Himmelskörpern machten, musste von Kopernikus durch ein anderes ersetzt werden, weil es mit Wahrnehmungen, die früher unbekannt waren, nicht zusammenstimmte. Als Dr. Franz einen Blindgeborenen operierte, sagte dieser, dass er sich vor seiner Operation durch die Wahrnehmungen seines Tastsinnes ein ganz anderes Bild von der Größe der Gegenstände gemacht habe. Er musste dann seine Tastwahrnehmungen durch seine Gesichtswahrnehmungen berichtigen.
- Rudolf Steiner: Du alterst, aber Dein Ätherleib wird jünger! (Eine Zusammenfassung)26. November 2017READ MORE!
- Die Reise der Seele im menschlichen Körper - Rudolf Steiner2. Mai 2017READ MORE!
- Die kosmische Ordnung, der Ätherleib und die luziferischen Kräfte - Rudolf Steiner22. März 2017READ MORE!
Woher kommt es, dass wir zu solchen fortwährenden Richtigstellungen unserer Beobachtungen gezwungen sind?
Eine einfache Überlegung bringt die Antwort auf diese Frage. Wenn ich an dem einen Ende einer Allee stehe, so erscheint mir die Blume, an dem andern von mir entfernten Ende, kleiner und näher aneinandergerückt als da, wo ich stehe. Mein Wahrnehmungsbild wird ein anderes, wenn ich den Ort ändere, von dem aus ich meine Beobachtungen mache. Es ist also in der Gestalt, in der es an mich herantritt, abhängig von einer Bestimmung, die nicht an dem Objekte hängt, sondern die mir, dem Wahrnehmenden, zukommt. Es ist für eine Allee ganz gleichgültig, wo ich stehe. Das Bild aber, das ich von ihr erhalte, ist wesentlich davon abhängig. Ebenso ist es für die Sonne und das Planetensystem gleichgültig, dass die Menschen sie gerade von der Erde aus ansehen. Das Wahrnehmungsbild aber, das sich diesen darbietet, ist durch diesen ihren Wohnsitz bestimmt.
Meine Wahrnehmungsbilder sind also zunächst subjektiv. Die Erkenntnis von dem subjektiven Charakter unserer Wahrnehmungen kann leicht zu Zweifeln darüber führen, ob überhaupt etwas Objektives denselben zum Grunde liegt. Wenn wir wissen, dass eine Wahrnehmung, zum Beispiel die der roten Farbe, oder eines bestimmten Tones nicht möglich ist ohne eine bestimmte Einrichtung unseres Organismus, so kann man zu dem Glauben kommen, dass dieselbe, abgesehen von unserem subjektiven Organismus, keinen Bestand habe, dass sie ohne den Akt des Wahrnehmens, dessen Objekt sie ist, keine Art des Daseins hat.
Diese Ansicht hat in George Berkeley einen klassischen Vertreter gefunden, der der Meinung war, dass der Mensch von dem Augenblicke an, wo er sich der Bedeutung des Subjekts für die Wahrnehmung bewusst geworden ist, nicht mehr an eine ohne den bewussten Geist vorhandene Welt glauben könne. Er sagt: [im Spoiler]

“Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind so einleuchtend, dass man nur die Augen zu öffnen braucht, um sie zu sehen. Für eine solche halte ich den wichtigen Satz, dass der ganze Chor am Himmel und alles, was zur Erde gehört, mit einem Worte alle die Körper, die den gewaltigen Bau der Welt zusammensetzen, keine Subsistenz außerhalb des Geistes haben, dass ihr Sein in ihrem Wahrgenommen — oder Erkanntwerden besteht, dass sie folglich, solange sie nicht wirklich von mir wahrgenommen werden oder in meinem Bewusstsein oder dem eines anderen geschaffenen Geistes existieren, entweder überhaupt keine Existenz haben oder in dem Bewusstsein eines ewigen Geistes existieren. Für diese Ansicht bleibt von der Wahrnehmung nichts mehr übrig, wenn man von dem Wahrgenommenwerden absieht. Es gibt keine Farbe, wenn keine gesehen, keinen Ton, wenn keiner gehört wird. Ebensowenig wie Farbe und Ton existieren Ausdehnung, Gestalt und Bewegung außerhalb des Wahrnehmungsaktes. Wir sehen nirgends bloße Ausdehnung oder Gestalt, sondern diese immer mit Farbe oder andern unbestreitbar von unserer Subjektivität abhängigen Eigenschaften verknüpft. Wenn die letzteren mit unserer Wahrnehmung verschwinden, so muss das auch bei den ersteren der Fall sein, die an sie gebunden sind.” (Zitat-Ende)

“Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind so einleuchtend, dass man nur die Augen zu öffnen braucht, um sie zu sehen. Für eine solche halte ich den wichtigen Satz, dass der ganze Chor am Himmel und alles, was zur Erde gehört, mit einem Worte alle die Körper, die den gewaltigen Bau der Welt zusammensetzen, keine Subsistenz außerhalb des Geistes haben, dass ihr Sein in ihrem Wahrgenommen — oder Erkanntwerden besteht, dass sie folglich, solange sie nicht wirklich von mir wahrgenommen werden oder in meinem Bewusstsein oder dem eines anderen geschaffenen Geistes existieren, entweder überhaupt keine Existenz haben oder in dem Bewusstsein eines ewigen Geistes existieren. Für diese Ansicht bleibt von der Wahrnehmung nichts mehr übrig, wenn man von dem Wahrgenommenwerden absieht. Es gibt keine Farbe, wenn keine gesehen, keinen Ton, wenn keiner gehört wird. Ebensowenig wie Farbe und Ton existieren Ausdehnung, Gestalt und Bewegung außerhalb des Wahrnehmungsaktes. Wir sehen nirgends bloße Ausdehnung oder Gestalt, sondern diese immer mit Farbe oder andern unbestreitbar von unserer Subjektivität abhängigen Eigenschaften verknüpft. Wenn die letzteren mit unserer Wahrnehmung verschwinden, so muss das auch bei den ersteren der Fall sein, die an sie gebunden sind.” (Zitat-Ende)
Dem Einwand, dass, wenn auch Figur, Farbe, Ton usw. keine andere Existenz als die innerhalb des Wahrnehmungsaktes haben, es doch Dinge geben müsse, die ohne das Bewusstsein da sind und denen die bewussten Wahrnehmungsbilder ähnlich seien, begegnet die geschilderte Ansicht damit, dass sie sagt: eine Farbe kann nur ähnlich einer Farbe, eine Figur ähnlich einer Figur sein.
Unsere Wahrnehmungen können nur unseren Wahrnehmungen, aber keinerlei anderen Dingen ähnlich sein. Auch was wir einen Gegenstand nennen, ist nichts anderes als eine Gruppe von Wahrnehmungen, die in einer bestimmten Weise verbunden sind.
Gegen diese Behauptung ist so lange nichts einzuwenden, als ich bloß im Allgemeinen den Umstand in Betracht ziehe, dass die Wahrnehmung von der Organisation meines Subjektes mitbestimmt wird. Wesentlich anders stellte sich die Sache aber, wenn wir imstande wären, anzugeben, welches die Funktion unseres Wahrnehmens beim Zustandekommen einer Wahrnehmung ist. Wir wüssten dann, was an der Wahrnehmung während des Wahrnehmens geschieht, und könnten auch bestimmen, was an ihr schon sein muss, bevor sie wahrgenommen wird.
Damit wird unsere Betrachtung von dem Objekt der Wahrnehmung auf das Subjekt derselben abgeleitet. Ich nehme nicht nur andere Dinge wahr, sondern ich nehme mich selbst wahr. Die Wahrnehmung meiner selbst hat zunächst den Inhalt, dass ich das Bleibende bin gegenüber den immer kommenden und gehenden Wahrnehmungsbildern. Die Wahrnehmung des Ich kann in meinem Bewusstsein stets auftreten, während ich andere Wahrnehmungen habe. Wenn ich in die Wahrnehmung eines gegebenen Gegenstandes vertieft bin, so habe ich vorläufig nur von diesem ein Bewusstsein. Dazu kann dann die Wahrnehmung meines Selbst treten. Ich bin mir nunmehr nicht bloß des Gegenstandes bewusst, sondern auch meiner Persönlichkeit, die dem Gegenstand gegenübersteht und ihn beobachtet.
Kraft durch Wissen – Warum ‘Denken’ nicht die Kraft ist! Hot
Bewusstsein Aug 23, 2016 0
Covid-19 als Symbol einer globalen, totalitären Psychose? Hot
Bewusstsein Okt 22, 2020 0
[VIDEO] DAVID ICKE – FROM DARK TO LIGHT
Bewusstsein Mrz 28, 2021 0
Covid-19 als Symbol einer globalen, totalitären Psychose? Hot
Bewusstsein Okt 22, 2020 0
No comments so far.
Be first to leave comment below.